Wenn Väter und ihre Kinder mit Typ-1-Diabetes gemeinsam aufbrechen, um sich neuen Herausforderungen zu stellen, dann kann das nur ein ganz besonderes Erlebnis werden. Genau das erlebten die Teilnehmenden unseres Vater-Kind-Wochenendes Ende April 2025 in Wernigerode – einem bunten Mix aus Weiterbildung, Abenteuer und echter Gemeinschaft.
Ein Wochenende, das verbindet
Schon bei der Ankunft in der Jugendherberge, malerisch am Waldrand gelegen, war die Vorfreude spürbar. Bot das großzügige Gebäude doch die perfekte Basis für ein Wochenende, das Mut, Vertrauen und gutes Diabetesmanagement in den Mittelpunkt stellte.
Im Zentrum: die Beziehung zwischen Vater und Kind und die gemeinsame Herausforderung, mit dem Diabetes umzugehen. Eine Aufgabe, die sich im Alltag oft zwischen Brotdose, Sorgen und Mama versteckt. Doch an diesem Wochenende sollte sie einmal ganz bewusst angeschaut, verstanden und erlebt und in Extremsituationen auch auf die Probe gestellt werden - und zwar ohne Mama.
Workshops mit Tiefgang und Erfahrung
Der Freitagabend und der Sonntagmorgen gehörten größtenteils der Theorie – aber keine Spur von trockenen Vorträgen. Ivo Rettig, selbst seit seinem 13. Lebensjahr mit seinem Typ-1-Diabetes vertraut, sprach als Coach und Betroffener direkt aus dem Leben. Seine offene, humorvolle und gleichzeitig kompetente Art schuf sofort Vertrauen. So ging es im lockeren Auftakt-Workshop um die besondere Rolle von Vätern in einer „Familie vom Typ F“, in denen der Diabetes eines Kindes alle mitprägt.
Wie können Väter stützen, ohne zu kontrollieren? Wo liegt der Unterschied zwischen Verantwortung und Überforderung? Und wie reagiert man richtig, wenn Adrenalin, Angst oder extreme Situationen den Blutzucker scheinbar unberechenbar machen? In gemeinsamer Runde wurde diskutiert, gelacht und sich auf die kommenden Abenteuer in Sachen Insulinmanagement vorbereitet. Unterstützt wurde Ivo dabei vom erfahrenen Lehrerausbilder Axel Eickhoff, der wertvolle pädagogische Einordnungen gab und besonders den Blick auf die kindliche Wahrnehmung schärfte.
Extrem: Harzdrenalin an der Rappbodetalsperre
Am Samstagvormittag wurde es dann ernst – und zwar im allerbesten Sinne. Bei strahlendem Sonnenschein fuhren wir zur Rappbodetalsperre, dem Schauplatz für den praktischen Teil des Wochenendes. Dort wartete Harzdrenalin mit einem Erlebnisangebot, das den Puls in die Höhe trieb – ganz real und ganz bewusst.
Los ging’s mit dem Ultrashot, einem Menschenkatapult, das Väter und Kinder im Tandem 38 Meter senkrecht in die Höhe schoss. Die Anspannung davor war förmlich greifbar, das Herzklopfen laut – und die Erleichterung und das Lachen danach umso befreiender. Fazit, auch der zunächst zweifelnden Teilnehmer: Gerne nochmal!
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Der absolute Höhepunkt war wohl der Gigaswing. Ein Sprung aus einer Höhe von 100 Metern Höhe in die Tiefe von der eh schon wackeligen Titan-RT-Hängebrücke, bei dem die Kontrolle ganz bewusst abgegeben werden musste. Wer sich dieser Erfahrung stellte, kam nicht nur mit wackligen Knien, sondern mit einem breiten Grinsen zurück. Für zwei Vater-Kind-Paare war es ein Moment, der mehr über Mut und Vertrauen sagte als jede Theorie.
Abschließend stand die Megazipline auf dem Programm – Europas längste Doppelseilrutsche. Gemeinsam mit dem Vater durch die Luft zu gleiten, mit 85 km/h über das Tal zu rauschen, war für die Teilnehmer ein unvergesslicher Moment der Freiheit und der Erkenntnis auch mit einem Diabetes immer neue Höhen erklimmen zu können.
Zwischen Spielen, Quizfragen und neuen Freundschaften
Neben dem Adrenalinkick kam auch der Spaß und das Miteinander der Gruppe nicht zu kurz. Dirk Christoph von Harzdrenalin hatte ein liebevoll gestaltetes Rahmenprogramm vorbereitet, das mit klassischen Mitmachspielen und cleveren Quizfragen punktete. Ob beim Gewichteschätzen, Papierfliegerwettbewerb oder dem Allgemeinwissens-Quiz – der Spaß stand immer im Vordergrund, und Kinder sowie Väter glänzten mit Wissen, Witz und Teamgeist.
Reflexion mit Wirkung
Am Sonntag war es dann Zeit innezuhalten. Zurück in der Jugendherberge wurde das Erlebte mit Ivo und Axel reflektiert. Wie hat sich der Körper in der Extremsituation verhalten? Wie lassen sich solche Erfahrungen auf den Alltag übertragen? Welche Rolle spielt Selbstverantwortung – und wie können Eltern sie fördern?
Von der Theorie in die Praxis
Kerninhalte des Wochenendes

Ivo leitet solch ein Wochenende natürlich nich konzeptlos. Wir haben Euch kurz zusammengefasst, welche Punkte den inhaltlichen Rahmen der Fortbildung bildeten.
Rolle des Vaters:
- Väter sollen ermutigt werden, aktiver Teil des Diabetesmanagements zu werden.
- Es geht nicht um Perfektion, sondern um Lernbereitschaft, Mitverantwortung und Dialog auf Augenhöhe.
- Ziel ist, Kinder in Selbstständigkeit zu begleiten – mit Mut, Vertrauen und Sicherheit.
Adrenalin & Blutzucker:
- Bewegung und Stress (z. B. durch Höhenangst oder Nervenkitzel) beeinflussen den Blutzucker unterschiedlich.
- Während gleichmäßige Bewegung den Zucker senken kann, führen Adrenalinschübe oft zu einem Anstieg.
- Wichtig ist, nicht vorschnell zu reagieren, sondern Werte zu beobachten und gemeinsam zu analysieren.
Sport & Diabetes-Management:
- Vor, während und nach körperlicher Aktivität ist Blutzuckermanagement entscheidend.
- Dazu gehören Planung, regelmäßige Kontrollen und das Anpassen von Insulin und Kohlenhydraten.
- Besonders betont wird: mit dem Kind sprechen, nicht nur über das Kind.
Technik verstehen & nutzen:
- Einsatz von CGM, Insulinpumpen und AID-Systemen wird erklärt und gezielt auf Sport & Adrenalin abgestimmt.
- Konkrete Strategien zur Nutzung gängiger Systeme (z. B. MiniMed, Omnipod, Tandem) werden vermittelt.
Praktische Anwendung:
- Erlebnispädagogische Aktivitäten wie Gigaswing oder Zipline setzen das theoretische Wissen in die Praxis um.
- Ziel: Selbstwirksamkeit und Vertrauen im Umgang mit herausfordernden Situationen.
In großer und kleiner Runde wurde nicht nur über Werte gesprochen, sondern auch über Ängste, über Überforderung und über den Wunsch, einfach „mal normal“ zu sein. Für viele Väter war es besonders wichtig zu hören, dass sie mit ihren Sorgen nicht allein sind – und dass es Wege gibt, die Herausforderung Diabetes gemeinsam zu meistern. Für die Kinder hingegen standen das Gemeinschaftserlebnis zusammen mit anderen Betroffenen und die motivierenden Reiseberichte von Ivo ganz vorne.
Ein Fazit mit Nachklang
Dieses Wochenende war mehr als eine Freizeitveranstaltung. Es war ein Raum für Begegnung, Wachstum und echte Vater-Kind-Zeit. Wir sind dankbar für jeden einzelnen Moment, der geteilt, erlebt und reflektiert wurde.
Wir haben gesehen, wie Kinder über sich hinausgewachsen sind. Wie Väter ihre Rolle neu entdeckt haben. Und wie aus einer Krankheit kein Hindernis, sondern ein Teil einer starken, gemeinsamen Geschichte werden kann.
Wichtigstes Fazit: Solange ich mein Blutzuckermanagement immer an die erste Stelle setze, kann ich auch mit Diabetes Höchstleistungen erreichen. Mit Diabetes ist eben (fast) alles möglich. Die Kombination aus fachlichem Input, intensiven Erlebnissen und echter Gemeinschaft wird uns – und hoffentlich auch allen Teilnehmenden – noch lange in Erinnerung bleiben.