Hoffnung für Typ-F-Familien mit Assistenzbedarf

Gemeinsamer Bundesausschuss berät endlich zur Versorgungslücke bei spezieller Krankenbeobachtung

Ein Hoffnungsschimmer bei der KiTa- und Schulbegleitung aufgrund eines Diabetes? In Berlin haben Beratungen zur Verbesserung der Richtlinien begonnen, die vielen betroffenen Familien bisher schlaflose Nächte und enorme Bauchschmerzen bereitet haben.


Auf Antrag der Patientenvertretung hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 20. Februar endlich ein Beratungsverfahren zur Überprüfung der Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie (HKP-RL) in Bezug auf besondere Versorgungskonstellationen bei schwerkranken Menschen eingeleitet. Dies könnte auch das Verfahren zur Kostenübernahme einer kontinuierlichen Assistenzkraft für Kinder mit Diabetes in KiTa oder Schule vereinfachen.

Was ist spezielle Krankenbeobachtung?


Die spezielle Krankenbeobachtung im Sinne des § 37 SGB V umfasst die gezielte Überwachung des Gesundheitszustands eines Patienten, um Veränderungen frühzeitig zu erkennen und darauf reagieren zu können.

Diese Beobachtung ist besonders wichtig bei schwerwiegenden Erkrankungen, z. B. bei Herz-Kreislauf-Problemen, Ateminsuffizienz oder neurologischen Störungen. Auch bei einem Diabetes Typ 1 kann aufgrund der Gefahren, die ein stark schwankender Blutzuckerspiegel (Über- und Unterzuckerungen) mit sich bringt, eine spezielle Krankenbeobachtung erforderlich sein. Insbesondere bei kleinen Kindern, die ihren Blutzuckerspiegel noch nicht selbst managen können.

Hürden senken

Wie aus einer aktuellen Pressemitteilung der Patientenvertretung im Gemeinsamen Bundesausschuss hervorgeht, hat diese im G-BA ein sogenanntes Beratungsverfahren zu einer "Auffangregelung für Menschen, die durch die Verschiebung der speziellen Krankenbeobachtung von der HKP-RL in die Richtlinie zur Außerklinischen Intensivpflege (AKI-RL) in eine Versorgungslücke gefallen sind", durchgesetzt. Am Ende der Beratungen soll nach dem Willen der Patientenvertreter eine Rückkehr der speziellen Krankenbeobachtung in den Leistungskatalog der HKP stehen. Die Hürden für die Bewilligung von Begleitpersonen würden damit gesenkt werden. So würden auch geschulte Laien diese Aufgabe übernehmen können und „jederzeit unerwartet auftreten könnende lebensbedrohliche Zustände“ wären nicht mehr das Kriterium für eine Bewilligung.

Was ist der G-BA?


Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist das wichtigste Gremium im deutschen Gesundheitswesen, das Regeln für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) festlegt. Er entscheidet, welche Behandlungen, Medikamente und Untersuchungen von den Krankenkassen bezahlt werden und legt Qualitätsstandards für Ärzte, Kliniken und andere Leistungserbringer fest.

Mitglieder sind Vertreter der Ärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen sowie Patientenvertreter (ohne Stimmrecht). Der G-BA soll dafür sorgen, dass medizinische Leistungen wirksam, wirtschaftlich und notwendig sind. Seine Beschlüsse haben für alle gesetzlich Versicherten bindende Wirkung.

Gerichte vs. Kassen

Durch die Verschiebung der speziellen Krankenbeobachtung, die bisher die Grundlage für die Übernahme einer Assistenzperson für Kinder mit Diabetes in KiTa und Schule durch die gesetzlichen Krankenkassen darstellte, in die AKI waren die Hürden für die Genehmigung der Leistung extrem hoch geworden. Praktisch bedeutete die seit Herbst 2023 geltende Regelung, dass viele Kassen Familien mit dem Bedarf einer Assistenzkraft die Übernahme der Kosten verweigerten.

Der Medizinische Dienst (MD) hatte sich auch ausdrücklich in seine aktuelle Begutachtungsanleitung zur AKI geschrieben, dass Diabetes Typ 1 grundsätzlich keine spezielle Krankenbeobachtung im Sinne der AKI rechtfertige. In mehreren Artikeln (s. Link-Liste unten) hatten wir immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass dies nicht der Realität entspricht und dass dutzende von Sozialgerichten dies inzwischen anders entschieden haben.

Wie läuft ein Beratungsverfahren im G-BA?


Der Ablauf eines Beratungsverfahrens zur Änderung von Pflege-Richtlinien im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) folgt einem strukturierten Prozess. Die Dauer kann variieren, liegt aber in der Regel zwischen 6 Monaten und mehreren Jahren, abhängig von der Komplexität des Themas und der Anzahl der erforderlichen Abstimmungen.

Ablauf des Beratungsverfahrens:

1. Antragsstellung

Der Antrag auf Änderung einer Pflege-Richtlinie kann von den Mitgliedsorganisationen des G-BA (z. B. Krankenkassen, Kassenärztliche Bundesvereinigungen, Patientenvertretungen) eingereicht werden.

2.  Prüfung und Einleitung des Beratungsverfahrens

Der G-BA prüft die Notwendigkeit der Anpassung und entscheidet, ob das Verfahren offiziell eingeleitet wird. Gegebenenfalls werden externe Fachgremien oder das Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) mit Analysen beauftragt.

3. Erarbeitung eines Beschlussentwurfs

In Unterausschüssen des G-BA werden fachliche Diskussionen geführt. Experten und Betroffene können beteiligt werden. Stellungnahmen von Fachgesellschaften, Pflegeeinrichtungen etc. werden eingeholt. Dann wird ein Entwurf zur Änderung der Richtlinie formuliert.

4. Anhörung und Stellungnahmeverfahren

Der Entwurf wird in einem Anhörungsverfahren veröffentlicht, sodass Verbände, Fachkreise und weitere Beteiligte Stellung nehmen können. Der G-BA wertet die Stellungnahmen aus und passt den Entwurf ggf. an.

5.  Beschlussfassung durch den G-BA

Der endgültige Beschluss wird in einer Sitzung des G-BA gefasst. Die verabschiedete Richtlinie wird dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zur Prüfung vorgelegt.

6. Prüfung durch das BMG

Das BMG kann den Beschluss innerhalb von 2 Monaten beanstanden oder genehmigen. Falls keine Beanstandung erfolgt, tritt die geänderte Richtlinie in Kraft.

7. Veröffentlichung und Umsetzung

Die geänderte Richtlinie wird im Bundesanzeiger veröffentlicht. Die Umsetzung erfolgt durch die betroffenen Einrichtungen, z. B. Pflegekassen, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen.

Dauer eines Beratungsverfahrens

  • Einfache Änderungen: ca. 6 Monate bis 1 Jahr
  • Komplexe Verfahren (z. B. neue Leistungsansprüche): 1 bis 3 Jahre
  • Verfahren mit großem Diskussionsbedarf oder politischen Einflussfaktoren: länger als 3 Jahre

Nutzen unklar

Ob eine evtl. Rückführung der speziellen Krankenbeobachtung in die HKP-RL endgültig zu Erleichterungen für Eltern von Kindern mit Diabetes führt, muss sich erst noch zeigen. Auch vor der Überführung der speziellen Krankenbeobachtung von der HKP in die AKI war der Weg zur Durchsetzung ihres Leistungsanspruches für die meisten Eltern steinig. Erst 2022 mehrten sich die Sozialgerichtsurteile, die in der Begleitung von Kindern mit Diabetes in KiTa und Schule eine medizinische Leistung sahen, die von den Kassen bezahlt werden müsse.

Diese Verstetigung der Interpretation des Paragrafen 37 des Sozialgesetzbuches V ist durch die Richtlinien-Verschiebung leider komplett implodiert und zurück auf Null gesetzt worden. Damit ist der gewählte Ansatz der Patientenvertreter zwar ein Hoffnungsschimmer, da es vor allem die hohen Hürden für die Bewilligung von AKI-Leistungen sind, welche die Situation für die Familien verschlechtert haben. Nach Einschätzung langjähriger Patientenvertreter im G-BA wird dieses Beratungsverfahren aber auf eine Dauer von ungefähr zwei Jahren geschätzt.

Kampf nicht am Ende

Der Kampf betroffener Eltern um eine optimale Versorgung ihrer Diabetes-Kinder in KiTa und Schule wird also vorerst kein Ende finden. Es stimmt traurig, dass die jeweiligen Entscheider anscheinend wenig bis kein Verständnis für die Situation betroffener Eltern haben. Das Bundesteilhabegesetz wird in den nächsten Jahren ein zahnloser Papiertiger bleiben und sich aufstauender Frust über die Politik weiterhin systematisch gezüchtet.