Mounjaro statt Schlauchmagen?

Machen Abnehmspritzen Magen-Operationen überflüssig?

Dank der Erfolge von Abnehmspritzen wie Wegovy oder Mounjaro stellt sich die Frage, ob die Adipositaschirurgie wie Schlauchmagen und Magenbypass überflüssig geworden sind. Keineswegs, so das Statement von Fachleuten. Vielmehr würden sich beide Methoden ergänzen.


Von 2022 auf 2023 hat sich in den USA der Einsatz von sogenannten Abnehmspritzen wie "Ozempic" und "Mounjaro" mehr als verdoppelt, die von bariatrischen Operationen ging im selben Zeitraum um über 25 Prozent zurück. 

 „Ersetzen Abnehmspritzen die Chirurgie?“ lautete deswegen die Frage eines Vortrags auf dem 142. Deutschen Chirurgie Kongress, der in München stattfand. Während diverser Vorträge wurde klar: Fachleute gehen was Deutschland betrifft eher nicht davon aus. Zu unterschiedlich stelle sich die Situation in Deutschland im Vergleich zu den USA dar.

Was bedeutet „bariatrisch“?


Ein bariatrischer Eingriff ist eine Operation, die dazu dient, das Gewicht zu reduzieren. Chirurgische Veränderungen werden am Magen und am Darm vorgenommen. Krankenkassen übernehmen die Kosten nur nach ausgiebiger Beratung und unter bestimmten Bedingungen.

Erst Spritze, dann OP

So weisen in Deutschland die Patienten im Vergleich zu anderen Ländern einen überdurchschnittlich hohen Body-Mass-Index (BMI) auf, wenn sie operiert werden. „Wir sehen die Betroffenen also im Vergleich zu anderen Ländern erst relativ spät im Verlauf ihrer chronischen Erkrankung“, erklärt Prof. Dr. Goran Marjanovic, von der Universitätsklinik Freiburg. Der durchschnittliche BMI lag laut einer Studie aus Freiburg bei über 49. Die Meisten warten also recht lange, bis sie sich zu einer Operation entschließen.

Welche Operation für wen sinnvoll ist


  • Magenbypass

Der Magenbypass ist die effektivste Methode, um durch einen chirurgischen Eingriff stark an Gewicht zu verlieren. Bei diesem Eingriff wird der Magen verkleinert und an einer anderen Stelle am Zwölffingerdarm befestigt. Ein Teil des Magens und des Darms sind dann nicht mehr aktiv. Deswegen wird ein Teil der Nahrung nicht mehr verstoffwechselt. Diese Methode greift positiv in den Stoffwechsel ein und wirkt auf die Bauchspeicheldrüse, weswegen sich diese Methode besonders für Menschen mit Typ-2-Diabetes eignet. Ein Bypass lässt ähnlich wie die Abnehmspritze das Hormon GLP-1 im Blut ansteigen. Dies ist beim Schlauchmagen nicht der Fall. Dr. Heinz-Wilhelm Esser (bekannt aus dem WDR als "DocEsser"): „Mit Magenbypass kann es schnell zu einem Mangel an Mikro- und Makronährstoffen kommen. Deswegen müssen zum einen lebenslang viele Nährstoffe supplementiert und zum anderen muss regelmäßig das Blut untersucht werden.

  • Schlauchmagen

Bei diesem Eingriff werden rund 75 Prozent des Magens entfernt. Die normale Magen-Darm-Passage wird erhalten, durch die Verkleinerung des Magens ist man aber sehr schnell und anhaltend satt. Zudem kommt es auch zu hormonellen Veränderungen. Die Operationsdauer ist kürzer als bei Verlegen eines Bypasses. Ein weiterer Vorteil: Bei einer Schlauchmagenoperation wird der Magen-Darm-Trakt nicht verändert und die aufgenommene Nahrung wird vollständig verwertet. Daher ist das Risiko für Nährstoffmangel deutlich geringer als nach einem Bypass. Dazu DocEsser: „Jungen Menschen ohne Begleiterkrankungen wird man am eher zu einer Verkleinerung des Magens raten als Älteren mit zusätzlichen Erkrankungen.“

  • Magenband

Bei diesem Eingriff wird ein Teil des Magens abgeschnürt. Der Vorteil der Methode: Das Band kann - wenn gewünscht - wieder entfernt werden. Urteil DocEsser: „Einige Jahre später kann es aber zu Komplikationen kommen. Das Band kann beispielsweise anwachsen oder verrutschen. Außerdem erfordert diese Methode viel Disziplin, denn der Hunger bleibt.“ Deswegen würden Magenbänder heute kaum noch eingesetzt.

Spritze nicht die alleinige Lösung

Die Chirurgen in München gingen davon aus, dass es bei der Frage nach der Behandlung von Adipositas nicht um ein „entweder-oder“ geht, sondern eher um ein Kombinieren beider Methoden. So verbessere jedes Kilogramm, das mithilfe der Spritze verloren werde, den Erfolg einer sich anschließenden Operation.

Dazu Dr. Heinz-Wilhelm Esser, bekannt aus dem Westdeutschen Rundfunk in seinem Podcast: „Ozempic und Co. ermöglichen eine Abnahme von 10 bis 15 Prozent. Für Menschen mit 140 Kilo Gewicht ist das keine Lösung. Für das Abnehmen größerer Mengen ist eine Magenoperation notwendig.“

Kommt die Abnehmpille?


Amycretin ist ein neuer Wirkstoff zur Gewichtsreduktion, entwickelt von Pharmagigant Novo Nordisk, der gleichzeitig auf die GLP-1- und Amylin-Rezeptoren wirkt. In ersten Studien zeigte die Tablettenform bereits nach 12 Wochen einen Gewichtsverlust von rund 13 %. In Spritzenform war die Wirkung noch wesentlich stärker. Das Präparat wäre damit sogar potenter als das hauseigene Wegovy und auch als das Konkurrenzpodukt Mounjaro von Eli Lilly. Die Markteinführung in Tablettenform ist für 2026 angestrebt, aber eher in 2027 realistisch.

Spritze Hilfe nach Operation

Eine Studie aus dem vergangenen Jahr legt aber nahe, dass die Abnehmspritzen bei bereits operierten stark Übergewichtigen das Abnehmen erleichtern können. So unterstützte die Spritze die Gewichtsabnahme, wenn bei den Operierten die Waage Stillstand zeigte oder sie sogar wieder zunahmen.

Die Indikation für einen chirurgischen Eingriff ist ab einem BMI von 40 gegeben. Bei zusätzlichen Erkrankungen wie etwa Diabetes bereits bei einem BMI von 35. Esser: „Voraussetzung für die Bewilligung des Antrags auf Kostenübernahme durch die Krankenkassen ist auch der Nachweis von fehlgeschlagenen Diäten. Man muss klar machen, was man bereits alles unternommen hat um abzunehmen. Vor allem ab einem BMI von 40 stehen die Chancen auf Bewilligung aber sehr gut.“